Vollmachtsrüge im einstweiligen Verfügungsverfahren

Gemäß § 88 I ZPO kann der Mangel der Prozessvollmacht vom Prozessgegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden. Diese Vorschrift dient in erster Linie der Schaffung klarer Verhältnisse im Prozess. Sie geht als Sonderregelung den allgemeinen Regeln des BGB zur Vollmacht (§§ 172 ff.) vor. Die Rüge stellt eine formlose Prozesshandlung dar, die keiner besonderen Begründung bedarf.

Beim Mangel der Vollmacht handelt es sich um einen schweren Verfahrensmangel, der sowohl die Revision (§ 547 Nr. 4 ZPO) als auch die Nichtigkeitsklage (§ 579 I Nr. 4 ZPO) begründet. Im einstweiligen Verfügungsverfahren führt das Fehlen der Vollmacht zur Aufhebung der Verfügung und zur Zurückweisung des Antrags auf Erlass derselben ist zurückzuweisen.

I. Wann liegt ein Mangel der Prozessvollmacht vor?

Ein Mangel der Vollmacht liegt vor, wenn nicht in gehöriger Form nachgewiesen wird, dass die erforderliche Prozessvollmacht wirksam erteilt wurde und nicht erloschen ist. Die Rüge kann zu jeder Zeit von der Kläger- und Beklagtenseite erhoben werden und betrifft alle vom Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen, die vom Umfang der Prozessvollmacht nach §§ 81, 82 ZPO gedeckt sind.

Auf welche Weise der Nachweis der Prozessvollmacht zu erfolgen hat, ist in § 80 ZPO geregelt. § 80 dient damit der Rechtssicherheit und schreibt vor, dass die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen ist (S. 1). Nach der Rechtsprechung des Saarländischen Oberlandesgerichts kann der Nachweis der Vollmacht nicht mit beliebigen Beweismitteln, sondern nur durch die Vorlage einer Originalvollmacht in deutscher Sprache (oder Übersetzung) – ggf. in beglaubigter Form – erfolgen (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 30. April 2008 – 1 U 461/07 – 145 –, juris). Der Nachweis der Vollmacht muss sich gegebenenfalls auf eine Vollmachtskette erstrecken, sodass der lückenlose Nachweis der Bevollmächtigung erbracht ist. Eine Kopie genügt nicht, weil diese nicht die eigenständige Namensunterschrift des Vollmachtgebers trägt. Ferner sind Unterstempelungen und faksimilierte Unterschriften ungenügend. Auch die Bezugnahme auf eine zu einer anderen Gerichtsakte eingereichte Generalvollmacht ist – anders als eine hinterlegte allgemeine Prozessvollmacht – nicht ausreichend. Die Formstrenge verfolgt das Ziel, während des gesamten Verfahrens sowohl im öffentlichen Interesse als auch im Interesse des Prozessgegners zweifelsfrei die Bevollmächtigung verifizieren zu können.

II. Behebung des Mangels durch Nachweis der (mangelfreien) Vollmacht

Der Mangel kann durch nachträgliche Vorlage einer (ordnungsgemäßen) Vollmachtsurkunde innerhalb einer vom Gericht bestimmten Frist geheilt werden (§ 80 S. 2 ZPO). Dies gilt aber nicht für das einstweilige Verfügungsverfahren. Aufgrund der Eilbedürftigkeit kommt die Einräumung einer Frist zur Beibringung der Vollmachtsurkunde über das Ende der mündlichen Verhandlung hinaus nicht in Betracht.

III. Behebung des Mangels im einstweiligen Verfügungsverfahren durch Glaubhaftmachung?

Ob der Mangel der Prozessvollmacht im einstweiligen Verfügungsverfahren durch Glaubhaftmachung geheilt werden kann, ist umstritten.

Vereinzelt wird vertreten, dass der Mangel der Vollmacht durch Glaubhaftmachung geheilt werden kann. Dabei handelt es sich um ein herabgesetztes Beweismaß, bei welchem dem Richter nicht die vollständige persönliche Überzeugung von der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung zu verschaffen ist, sondern die Behauptung schon dann glaubhaft gemacht ist, wenn sie dem Richter überwiegend wahrscheinlich erscheint. Vertreter dieser Auffassung stützen ihre Ansicht auf die Erwägung, dass eine Glaubhaftmachung im Interesse der Eilbedürftigkeit der Entscheidung nicht nur hinsichtlich des Verfügungsanspruchs und des Verfügungsgrundes, sondern auch hinsichtlich der Prozessvoraussetzungen als ausreichend erachtet werden sollte, da sonst eine oft schwierig zu überwindende Barriere bestünde.

Demgegenüber wendet die Rechtsprechung ein, dass eine Glaubhaftmachung nicht ausreicht, insbesondere könne eine eidesstattliche Versicherung keine Prozessvollmacht ersetzen. Diese Ansicht wird darauf gestützt, dass der einstweilige Rechtsschutz nicht aus dem Geltungsbereich der §§ 88, 80 ZPO ausgenommen wird. In § 703 ZPO normiert der Gesetzgeber ausdrücklich, dass es im Mahnverfahren eines Nachweises einer Vollmacht nicht bedarf. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass alle anderen Verfahren vom Anwendungsbereich des § 80 ZPO erfasst sind (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 30. April 2008 – 1 U 461/07 – 145 –, Rn. 19, juris).

IV. Fazit

Der Nachweis der Prozessmacht stellt eine unerlässliche Prozessvoraussetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren dar, dessen Mangel zur Aufhebung der Verfügung und zur Zurückweisung des Antrags auf Erlass derselben trotz Bestehen des Verfügungsanspruchs und des Verfügungsanspruchs führt. Um dies zu vermeiden, sollte die Vollmacht bei Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Original hinzugefügt oder spätestens, wenn der Gegner Widerspruch einlegt, in der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegt werden.

Autorin: Trang Pham