Landgericht Hamburg entscheidet: Die Angabe zur versicherten Versendung stellt keinen wettbewerbswidrigen Verstoß dar, soweit es sich um eine bloße Tatsacheninformation handelt

Autorin: Quynh Trang Pham

Mit Urteil vom 22.11.2019 hat das Landgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen 315 O 205/18 entschieden, dass die Angabe „Versendung aus Hamburg per versicherten Postpaket/DHL (…)“ keinen wettbewerbswidrigen Verstoß darstellt, insbesondere nicht irreführend ist.

I. Problematik: Werbung mit Selbstverständlichkeit

Eine besonders betonte Aussage kann trotz ihrer objektiven Richtigkeit irreführend sein, wenn der Verkehr sich der Selbstverständlichkeit der Eigenschaft nicht bewusst ist und infolgedessen zu der falschen Annahme gerät, dass die Leistung des Verkäufers in vorzugswürdiger Art und Weise von vergleichbaren Angeboten abweicht.[1] Um alle Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb zu schützen und einen unverfälschten Wettbewerb im Interesse der Allgemeinheit zu gewährleisten, dürfen selbstverständliche Eigenschaften zur Vermeidung einer Irreführung des Verkehrs nicht in der Weise hervorgehoben werden, dass ein unrichtiger Eindruck entsteht.[2]

II. Hintergrund: Versand im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs

Beim Versendungsverkauf ist der Gefahrübergang auf den Zeitpunkt der Übergabe an das Transportunternehmen vorverlegt (§ 447 BGB). Dies gilt allerdings nicht, wenn ein sog. Verbrauchsgüterkauf vorliegt (§§ 474, 475 BGB). Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmen eine bewegliche Sache kauft. Das Transportrisiko liegt ausnahmslos beim Unternehmer/Verkäufer. Hierbei handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit. Wirbt der Unternehmer bzw. Verkäufer mit dem „versicherten“ Versand, so besteht die Möglichkeit, dass er eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Wann eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 UWG vorliegt, ist nicht einheitlich geregelt.

III. Entscheidung des Landgerichts Hamburg

Das LG Hamburg musste dazu Stellung nehmen, ob die Angabe einer Onlinehändlerin (Beklagte) „Versendung aus Hamburg per versicherten Postpaket/DHL (…)“ wettbewerbsrechtlich zu rügen ist. Diese Frage hat das Landgericht im Ergebnis verneint.

Nach der Auffassung des Landgerichts Hamburg konnte die Beklagte gar nicht mit einer aufgrund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Versicherungspflicht werben, weil es eine solche im Online-Handel gerade nicht gebe. Folglich stellt die Angabe der Beklagten auch keine unzulässige geschäftliche Handlung im Sinne von Ziff. 10 des Anhangs zu § 3 UWG dar. Ein vom Kläger angeführter Vergleich mit einem Fall, der dem Beschluss des Kammergerichts vom 03. Februar 2016 (Az.: 5 W 2/16) zugrunde lag, hat das Landgericht als nichtzutreffend abgelehnt. In dem Fall war das Wort „versichert“ in einer Werbeanzeige deutlich hervorgehoben und mit einem Bestätigungshaken versehen. Nach der Auffassung des Landgerichts Hamburg sei beim Käufer dadurch der Irrtum veranlasst worden, dass ­­­­­­­­­­ihm das Transportrisiko abgenommen werden solle. Entgegen der Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Beschluss vom 29. Juni 2017, Az.: 5 W 23/17) handele es sich der Angabe nicht um eine sog. „Nullinformation“, weil den Kunden im Falle einer Beschädigung eines versicherten Pakets ggf. Mitwirkungspflichten, wie etwa die Aufbewahrung der beschädigten Verpackung, die Übergabe an den Postzusteller bzw. die Abgabe in einer Postfiliale u.ä., treffen können.

Im hiesigen Falle befand sich das Wort „versichert“ unverbunden in einer Reihe weiterer Informationen zur sog. „Ist“-Qualität der Ware und damit nicht im Kontext rechtlicher Angaben. Es handele sich vielmehr um bloße Tatsacheninformationen, die den Käufer nicht dazu veranlasse, Mutmaßungen über das Versendungsrisiko anzustellen. Dies folgt nach der Ansicht des Landgerichts Hamburg daraus, dass diejenigen, die im Internet Sachen bestellen, die Rechtslage kennen. Bei denjenigen, die die Rechtslage nicht kennen und die das Versendungsrisiko unzutreffend bei sich verorten, werde diese Fehlvorstellung nicht erst durch diese Angabe des Verkäufers zu der irrigen Annahme veranlasst. Diese irrige Annahme kann ebenso entstehen, wenn überhaupt keine Informationen hinsichtlich eines versicherten Versands vorhanden ist.

Da die Angabe „Versendung aus Hamburg per versicherten Postpaket/DHL (…)“ nicht besonders herausgehoben wurde, sondern in einer Reihe weiterer Informationen zur sog. „Ist“-Qualität vorzufinden ist, bewirbt sie keine besondere Information.

Schließlich lässt sich aus dem Umstand, dass die Angabe „versichert“ nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht, folgern, dass die Beklagte nicht die Intention hatte von den gesetzlichen Bestimmungen abzuweichen. Weil es  sich hierbei um keine vom Gesetz abweichend implizierte Regelung handelt, hält das Landgericht Hamburg die Angabe für wettbewerbskonform.

IV. Fazit

Im Rahmen der Voraussetzungen und Grenzen der „Werbung mit Selbstverständlichkeiten“ herrscht in der Rechtsprechung weiterhin Uneinigkeit. Der Entscheidung des Landgerichts Hamburg folgt deshalb keineswegs die Legitimation derartiger Angaben, vielmehr ist eine Einzelfallbetrachtung geboten. Denkbar wäre das Vorliegen einer irreführenden geschäftlichen Handlung im Sinne des § 5 UWG vom Grad der Werbung abhängig zu machen. Wird die Angabe herausgehoben, so liegt die Annahme nahe, dass es sich um eine wettbewerbswidrige Handlung handelt. Handelt es sich hingegen (lediglich) um eine Tatsacheninformation, so könnte das Verhalten (noch) wettbewerbskonform sein. Allerdings kann diese Wertung zu einer zweckwidrigen Inanspruchnahme führen, wenn damit vorsätzlich die Regelungen des lauteren Wettbewerbes umgangen werden sollen.  

Die Entscheidung des LG Hamburg ist rechtskräftig, nachdem das OLG Hamburg im Rahmen der Berufung in der mündlichen Verhandlung mitteilte, den Ausführungen des LG Hamburg zu folgen und damit seine bisherige gegenteilige Rechtsauffassung ausdrücklich aufgab. Der Kläger, der IDO Verband aus Leverkusen hatte nach diesem Hinweis seine Berufung zurückgenommen.


[1] Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 7. Aufl. 2016, § 5 UWG Rn. 192.

[2] Ohly/Sosnitza/Sosnitza, § 5 UWG Rn. 192.