Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg entscheidet: Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht auch bei formell unwirksamer Kündigung, wenn materiellrechtlich kein Kündigungsgrund besteht

Mit Urteil vom 15.6.2020 hat das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg unter dem Az. 20 C 25 / 20 entschieden, dass dem Mieter ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten für die Abwehr einer formell unwirksamen Kündigung jedenfalls dann zusteht, wenn die Kündigung auch materiellrechtlich nicht begründet war. Das Urteil ist insoweit bemerkenswert als der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 15.12.2010 – Az. VIII ZR 9/10 – entschieden hat, dass dem Mieter kein Anspruch auf Erstattung seiner Anwaltskosten für die Abwehr einer lediglich formunwirksamen Kündigung zusteht. Aus diesem Urteil des Bundesgerichtshofes hatten Rechtsprechung und Literatur ein obiter dictum dahingehend gemacht, dass derjenige, der mit einer formell unwirksamen Kündigung konfrontiert ist, nicht notwendigerweise einen Anwalt einschalten muss und falls er es dennoch tut, stets seine Kosten selber bezahlen müsste. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat mit der zitierten Entscheidung klargestellt, dass dies jedoch nicht immer der Fall sein muss. Denn (genau dies hatte der Bundesgerichtshof offengelassen), wenn die Kündigung auch trotz ihrer formellen Unwirksamkeit nicht auf materiellrechtliche Gründe gestützt werden kann, besteht dieser Anspruch dennoch. Im vor dem Bundesgerichtshof (aaO.) entschiedenen Fall war es hingegen so, dass die ausgesprochene Kündigung zwar formell unwirksam war, materiellrechtlich allerdings ein Kündigungsgrund bestanden hatte; der Vermieter hatte dort später eine formell wirksame Kündigung nachgeschoben. Lediglich in diesem Fall fand der Bundesgerichtshof es nicht billig, dem Vermieter die Kosten für die Abwehr der ersten (lediglich formell unwirksamen) Kündigung aufzuerlegen.

Der vom Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg zu entscheidende Fall war allerdings noch etwas komplexer. So hatte der Unterzeichner eine Mandantin zwecks Abwehr der formell- und materiellrechtlich unwirksamen Kündigung außergerichtlich gegen Beratungshilfe vertreten. Der Unterzeichner klagte später aus eigenem (übergegangenen) Recht gemäß § 9 des Beratungshilfegesetzes auf Zahlung der vollen Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer. Während die Gegenseite noch meinte, der Unterzeichner sei für diese Klage nicht klagebefugt, verwies das Gericht auf die zutreffenden Vorschriften des Beratungshilfegesetzes, aus welchen sich der Übergang des Kostenerstattungsanspruchs an die Beratungsperson per Gesetz ergibt.

Insbesondere sollten Kolleginnen und Kollegen die Vorschrift des § 9 des Beratungshilfegesetzes kennen, nach welcher Ihnen ein eigener Anspruch auf Zahlung der vollen Geschäftsgebühr gegen die Gegenseite zusteht. Immer wieder ist nämlich zu beobachten, dass Kolleginnen und Kollegen, die einen Mandanten gegen Beratungshilfe vertreten haben, die Klage auf Zahlung der vollen Geschäftsgebühr später im Namen des vertretenen Mandanten erheben. Eine solche Klage Ist allerdings unzulässig, vielmehr müssten Rechtsanwälte dann im eigenen Namen klagen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie nachfolgend: