Suchmaschinenservice GmbH unterliegt auf negative Feststellungsklage – Urteil des LG Berlin – 36 O 153/23 – im Volltext

Landgericht Berlin II

Az:        36 O 153/23

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Klägerin und Widerbeklagte –

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt Christian von der Heyden, Trabener Straße 58 a, 14193 Berlin

gegen

Suchmaschinen Service GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer ….., im Hammereisen 27a, 47559 Kranenburg

– Beklagte und Widerklägerin –

Prozessbevollmächtigte:

hat das Landgericht Berlin II – Zivilkammer 36 – durch den Richter am Landgericht … als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2024 für Recht erkannt:

1.           Die Widerklage wird abgewiesen.

2.           Die Beklagte und Widerklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.           Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte und Widerklägerin kann die Vollstreckung der Klägerin und Widerbeklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin und Widerbeklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4.           Der Streitwert wird auf 5.950,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten nach übereinstimmender Erledigterklärung hinsichtlich der ursprünglichen Klage noch um Ansprüche der Beklagten auf Zahlung einer Vergütung in Höhe von 5.950,00 € aus einem vermeintlich geschlossenen Vertrag über die Eintragung der Klägerin in eine Online-Suchmaschine.

Die Klägerin ist eine in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) firmierende Gesellschaft, welche sich mit der Erbringung von Pflegedienstleitungen befasst. Die Beklagte bietet auf der Website www.suchmaschinenauskunft.com Firmenverzeichniseinträge und zusätzliche Dienstleistungen zur Steigerung der Webpräsenz an.

Ohne vorherigen Kontakt oder ein entsprechendes Ersuchen der Klägerin kontaktierte am 17.07.2023 der für die Beklagte tätige Zeuge … telefonisch den bei der Klägerin mit der Kundenbetreuung im Rahmen der Erbringung von Pflegedienstleistungen sowie mit solchen Leistungen notwendig einhergehenden Bürodienstleistungen befassten Zeugen … und führte mit diesem ein Gespräch über den Abschluss eines Vertrages u.a. zur Aufnahme der Klägerin in die Suchmaschine der Beklagten für einen Zweitraum von zwei Jahren zu einem Preis von 5.000,00 € netto, mithin 5.950,00 € brutto. Das Gespräch teilte sich dabei in eine – seitens der Beklagten so bezeichnete – Verhandlungsphase sowie eine – ebenfalls von der Beklagten so bezeichnet – Verkaufsphase, in welcher ein avisierter Vertragsschluss nach Zustimmung des jeweiligen Gesprächspartners, hier des Zeugen …, aufgezeichnet wird. Der Inhalt des gesamten Gesprächs steht im Streit.

Die Beklagte behauptet, unter dem 18.07.2023 habe sie der Klägerin ein mit „Bestätigung unserer Vereinbarung“ überschriebenes Schriftstück, in welchem die nach Auffassung der Beklagten im Rahmen des Telefonats getroffenen Vereinbarungen aufgeführt sind, übersandt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage B2 verwiesen. Zudem habe die Beklagte der Klägerin mit gleichem Schreiben eine Rechnung über 5.950,00 € brutto zukommen lassen. Wegen deren Einzelheiten wird auf die Anlagen K1 bzw. B2 verwiesen. Dieses Schreiben und die Rechnung vom 18.07.2023 seien der Klägerin spätestens am 20.07.2023 zugegangen.

Mit Schreiben vom 26.07.2023 mahnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte ab, forderte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und focht einen ggf. geschlossenen Vertrag aufgrund Irrtums und arglistiger Täuschung an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K2 verwiesen.

Ebenfalls unter dem 26.07.2023 hat die Klägerin eine negative Feststellungsklage bei dem Landgericht Berlin II eingereicht, gerichtet auf die Feststellung, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 5.950,00 0 € gegen die Klägerin hat, wie in der Rechnung vom 18.07.2023 gefordert.

Die Beklagte behauptet weiter, das Telefongespräch vom 17.07.2023 sei hinsichtlich der Verkaufsphase so abgelaufen, wie in den Anlagen B1a und B1b wiedergegeben. Die Beklagte habe im Nachgang auch ihre geschuldeten Leistungen erbracht und könne daher die geschuldete Vergütung beanspruchen. Zudem sei jedenfalls über das Schreiben vom 18.07.2023 nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens ein entsprechender Vertrag zustande gekommen. Der Zeuge … sei auch zu dem Vertragsschluss berechtigt gewesen, jedenfalls seien die Grundsätze der Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht einschlägig. In der Verhandlungsphase des Telefonats sei der Zeuge … nicht unredlich unter Druck gesetzt worden. Vielmehr habe der Zeuge … sich vorgestellt und die seitens der Beklagten angebotenen Möglichkeiten der Steigerung der Webpräsenz dargestellt und erläutert, in diesem Rahmen sei auch auf die AGB der Beklagten hingewiesen worden. Ebenso habe er die Laufzeit von zwei Jahren, die abgerechneten Kosten und den Leistungsumfang mit dem Zeugen … abgestimmt. Sodann sei in die aufgezeichnete und nicht manipulierte Aufzeichnung der Verkaufsphase eingetreten worden. Aus dieser ergebe sich eindeutig der anspruchsbegründende Vertragsschluss.

Mit Schriftsatz vom 19.01.2024, der Klägerin am 27.03.2024, hat die Beklagte Widerklage erhoben, gerichtet auf die Zahlung der vertragsmäßigen Vergütung in Höhe von 5.950,00 € brutto.

Die Klägerin hat die auf negative Feststellung gerichtete Klage nach Antragstellung in der mündlichen Verhandlung am 10.06.2024 für erledigt erklärt. Dieser Erklärung hat sich die Beklagte angeschlossen.

Die Beklagte beantragt daher nun noch im Wege der Widerklage,

die Klägerin zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 5.950,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2032 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Klägerin behauptet, dass im Telefonat vom 17.07.2023 kein Vertrag geschlossen worden sei.

Der beklagtenseitig als Anlage B1b vorgelegte Mitschnitt der telefonischen Verkaufsphase sei manipuliert worden. Entsprechend sei auch die als Anlage B1b vorgelegte Transkription des Mitschnittes „frisiert“. Am Anfang des Telefonats habe der Zeuge … den Zeugen … gefragt, ob die Geschäftsführung zu sprechen sei. Als dieser dies verneinte, habe der Zeuge … wahrheitswidrig mitgeteilt, dass das Telefonat auch von ihm, dem Zeugen …, geführt werden könne und dass bereits ein Vertrag zwischen den Parteien bestünde. Dieser müsse nur verlängert werden, was sehr dringend sei, da die Klägerin sonst ihr Ranking verliere. Der Zeuge … habe den Zeugen … dadurch im Rahmen der Verhandlungsphase des Gesprächs in unredlicher Weise unter Druck gesetzt. Zudem sei keine Rede von einer rabattierten Gebühr in Höhe von 5.000,00 € netto die Rede gewesen, sondern nur in Höhe von 100,00 – 300,00 €. Auch sei nicht die Rede von einer Laufzeit von zwei Jahren gewesen. Der Zeuge … sei zudem nicht berechtigt, Verträge wie den hier Rede stehenden für die Klägerin abzuschließen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll vom 10.06.2024 sowie den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Widerklage hat keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung der geltend gemachten Vergütung in Höhe von 5.950,00 €. Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht zwischen den Parteien kein entsprechender Vertrag; auch aus dem Bereicherungsrecht ergibt sich kein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin.

1) Eine vertragliche Haftung der Klägerin liegt nicht vor.

a) Eine Vertragsvereinbarung setzt dabei inhaltlich korrespondierende, auf dieselben Rechtsfolgen gerichtete Willenserklärungen – Antrag und diesbezügliche Annahme – voraus. Die §§ 145 ff. BGB sehen als Regelfall die aufeinander folgende Abgabe der Erklärungen vor. Maßgeblich für einen Vertrag ist aber einzig eine vom Rechtsbindungswillen getragene Einigung über die vertragswesentlichen Bestandteile (essentialia negotii). Der notwendige Konsens kann auch im Falle sich kreuzender, gleichzeitig zugegangener Anträge vorliegen, wenn beide Parteien durch vertragsausführendes Verhalten die übereinstimmend gewollte Bindung erkennen lassen. Dann kann es ausnahmsweise sogar genügen, wenn die Beteiligten schweigen. Die essentialia negotii, in der Regel die Vertragsparteien und der Vertragsgegenstand, müssen hinreichend bestimmt oder bestimmbar sein (BeckOK BGB/H.-W. Eckert, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 145 Rn. 1 ff. mwN).

Die jeweiligen Willenserklärungen müssen den (angeblichen) Vertragsparteien zudem zurechenbar sein. Dies spielt – wie vorliegend – insbesondere dann eine Rolle, wenn anderer Rechtspersonen, hier die Partien, als diejenigen, die die Erklärungen verlautbaren, hier die Zeugen … und …, an den Vertrag gebunden sein sollen. In diesem Falle bedarf es entweder einer Vertretungsmacht zugunsten der Vertretenden oder einer Genehmigung des Rechtsgeschäfts durch den Vertretenen (vgl. §§ 177 Abs. 1, 184 BGB).

b) Nach diesen Maßstäben liegt kein Vertrag zwischen den Parteien über die Erbringung von Internetdienstleistungen durch die Beklagte vom Preis von 5.950,00 € brutto des Rechtsstreits vor. Als Ausgangspunkt für einen derartigen Vertrag kommt vorliegend nur das Telefongespräch zwischen den Zeugen … und … in Betracht.

Ungeachtet dessen, ob im Rahmen des Telefongesprächs tatsächlich die in der Anlage B1a / B1b wiedergegebenen Erklärungen abgegeben wurden und welchen Inhalt der nicht aufgezeichnete Gesprächsteil hatte, mangelt es jedenfalls an einer Vertretungsmacht des Zeugen … für die Bindung der Klägerin an den beklagtenseitig behaupteten Vertrag.

(1) Eine solche Vertretungsmacht ergibt sich nicht aus § 720 BGB, da bereits nicht vorgetragen ist, dass der Zeuge … (geschäftsführungsberechtigter) Gesellschafter der Klägerin ist.

(2) Eine rechtsgeschäftlich eingeräumte Vertretungsmacht zum Abschluss des hier in Rede stehenden Vertrages konnte das Gericht ebenfalls nicht feststellen. Grundsätzlich erfolgt eine rechtsgeschäftliche Vollmachterteilung durch Erklärung des Vertretenen gegenüber dem Vertreter oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, § 167 Abs. 1 BGB. Die insoweit nach allgemeinen Grundsätzen für das Vorliegen einer entsprechenden Vertretungsmacht beweisbelastete Beklagte (vgl. BeckOGK/Huber, 1.2.2022, BGB § 167 Rn. 123) hat lediglich ohne weiteren Beweisantritt und seitens der Klägerin bestritten behauptet, dass der Zeuge … eine entsprechende Vollmacht der Klägerin erhalten habe bzw. „abschlussbevollmächtigt“ gewesen sei. Der Nachweis einer Vollmachtserteilung kann die Beklagte daher nicht führen.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Stellung des Zeugen … als Mitarbeiter der Klägerin. Zwar kann auch bei der Einräumung einer Stellung innerhalb eines Unternehmens, welche typischerweise mit dem Abschluss entsprechender Verträge zusammenhängt, anzunehmen sein (vgl. Ellenberger in: Grüneberg, 83. Aufl. 2024, § 172 Rn. 19 mit Verweis auf BGH NJW 10, 1203 Rn. 8). Eine derartige Stellung liegt hier jedoch gerade nicht vor. Der Zeuge … war bei der Klägerin mit der Kundenbetreuung im Rahmen der Erbringung von Pflegedienstleistungen sowie mit solchen Leistungen notwendig einhergehenden Bürodienstleistungen befasst. Der streitgegenständliche Vertrag zur Steigerung der Webpräsenz ist derweil zwanglos dem Bereich des Marketings zuzurechnen. Zudem ist bei Kosten in Höhe von 5.950,00 € brutto auch nicht davon auszugehen, dass jede Mitarbeiterin bzw. jeder Mitarbeiter zu einem solchen Abschluss berechtigt sein soll.

(3) Auch nach den Grundsätzen der Duldungs- bzw. Anscheinsvollmacht liegt kein Rechtsschein vor, welcher einen wirksamen Vertragsschluss und damit eine Haftung der Klägerin zu begründen vermag.

aa) Für eine Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht als Rechtsscheinvollmacht bedarf es eines Rechtsscheintatbestands, der dem Vertretenen als Geschäftsherrn zurechenbar ist und auf den der Geschäftsgegner vertraut, so dass er daraufhin handelt. Die Angaben des Vertreters und sein Wille, für den Geschäftsherrn zu handeln, genügen nicht. Eine Anscheinsvollmacht liegt dann vor, wenn jemand wiederholt und über einen längeren Zeitraum als Vertreter aufgetreten ist, der Vertretene das Verhalten nicht kannte, bei der Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen müssen und verhindern können (BGH NJW 2014, 2790 Rn. 12 ff.; NZG 2012, 916 (917); NJW 2011, 2421 (2422); 1998, 1854 (1855); NJW-RR 1986, 1169; OLG Hamburg BeckRS 2015, 08511; OLG München WM 1997, 2249 (2250); OLG Frankfurt BauR 2006, 419; OLG Brandenburg NJW-RR 2009, 235 (236). Im Rahmen einer Duldungsvollmacht hingegen kannte der Vertretene dieses Handeln und ließ den Vertreter gewähren. Zudem muss der Geschäftsgegner das Verhalten des Vertreters kennen, gutgläubig sein und im Vertrauen auf die vermeintliche Vollmacht das Vertretergeschäft vorgenommen haben (BGHZ 189, 346 Rn. 16 = NJW 2011, 2421; BGH NJW 2007, 987 (989); NK-BGB/Ackermann Rn. 87 f.; Soergel/Leptien Rn. 23; Staudinger/Schilken, 2019, Rn. 43 f.; vgl. insgesamt MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, BGB § 167 Rn. 112).

bb) Nach den vorstehenden Maßstäben konnte das Gericht das Vorliegen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht nicht feststellen, es mangelt bereits an einem erforderlichen objektiven Rechtsschein zugunsten der Beklagten und zulasten der Klägerin.

Insoweit bedarf es einer objektiven Grundlage für ein nach Treu und Glauben berechtigtes Vertrauen des Geschäftsgegners, dass der Vertreter mit Vollmacht für den Vertretenen handelt. Es ist eines Verhaltens des Vertretenen (Tun oder Unterlassen) erforderlich, das der Geschäftsgegner so verstehen musste, dass der Vertreter bevollmächtigt ist. Dafür genügen nicht die Behauptungen des Vertreters hinsichtlich der Vollmacht. Auch eine familiäre Beziehung zwischen Vertreter und Vertretenem (elterlich, verwandtschaftlich) reicht nicht aus.

Ein Rechtsschein kann – wie bereits dargelegt – insbesondere davon ausgehen, dass der Vertretene dem Handelnden eine Stellung eingeräumt bzw. Aufgaben übertragen hat, die regelmäßig mit einer Vollmacht verbunden sind. Insofern ist auf die nach außen erkennbare Position des Vertreters abzustellen, die ihm vom Vertretenen verschafft wurde. Auch die Ausstattung mit bestimmten Mitteln gilt ggf. als ausreichend, um eine Bevollmächtigung anzunehmen. Ein solcher Fall ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nach den Ausführungen unter (2) jedoch nicht gegeben.

Bei der abschließenden Gesamtbetrachtung kommt es auch darauf an, ob der Vertreter wiederholt und für gewisse Dauer für den Vertretenen gehandelt hat. In der Regel bedarf es einer gewissen Häufigkeit bzw. Stetigkeit, mit der der Vertreter agiert, um einen objektiven Rechtsschein zu begründen.

Einzelne Ereignisse genügen in der Regel nicht, es sei denn, es kommt besonders nachdrücklich zum Vorschein, dass der Vertreter Vollmacht hat. Es muss sich aus den Umständen der Schluss ergeben, dass der Vertretene für das spezielle Rechtsgeschäft oder allgemein dem Vertreter Vollmacht erteilt hat bzw. das Verhalten des Vertreters kenne und billige (MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, BGB § 167 Rn. 113-115 mwN.).

Die Beklagte hat insoweit lediglich vorgetragen, dass der Zeuge … angegeben habe, dass er vertretungsberechtigt sei. Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen ohne einen weiteren, der Klägerin als Vertretener zurechenbarer Handlung oder Unterlassung jedoch nicht geeignet, einen schutzwürdigen Rechtsschein zugunsten der Beklagten zu setzen. Einerseits hat die Beklagte bereits keinerlei Handlung oder Unterlassung der Klägerin dargelegt, aus der sich ein solcher Rechtsschein ableiten ließe. Zudem müsste das Verhalten des Vertreters gerade mehrfach stattgefunden haben. Vorliegend beschränkt sich der Vortrag jedoch auf ein singuläres Ereignis, nämlich die Angaben im Rahmen des Telefonats am 17.07.2023. Hieraus ist kein Rechtsschein ableitbar, der zugunsten der Beklagten wirken könnte.

(4) In Ermangelung einer Vertretungsmacht zum Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages konnte der Zeuge … daher allenfalls – das Gespräch mit dem Zeugen … wie in der Anlage B1a bzw. B1b als wahr unterstellt – als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt haben.

Die in diesem Fall erforderliche Genehmigung des Vertrages nach §§ 177, 184 BGB liegt derweil nicht vor, da die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.07.2023 sowie der taggleich eingereichten negativen Feststellungsklage eindeutig zu verstehen gegeben hat, dass sie den angetragenen, schwebend unwirksamen Vertrag nicht genehmigt.

(5) Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens kein Vertragsschluss vor.

In persönlicher Hinsicht muss es sich bei den Beteiligten entweder Kaufleute oder Unternehmer, die in ähnlichem Umfang wie Kaufleute am Geschäftsleben teilnehmen, handeln. In sachlicher Hinsicht muss das Schreiben zeitnah nach geführten Verhandlungen zwischen den Parteien zugehen und ein Schweigen des Empfängers muss für den redlichen Absender nach der Verkehrssitte so zu verstehen sein, dass dieser mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens einverstanden ist (vgl. insgesamt MüKoHGB/Maultzsch, 5. Aufl. 2021, HGB § 346 Rn. 142 ff. mwN). Nur ein unverzüglicher Widerspruch des Empfängers hindert bei Vorliegen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens den Eintritt der Wirkungen desselben. Dabei muss der Empfänger einer Einigung zu den in dem Bestätigungsschreiben genannten Vertragsbedingungen hinreichend deutlich entgegentreten, was sich allerdings auch aus einer Auslegung der Reaktion nach den §§ 133, 157 BGB ergeben kann. Unverzüglich ist der Widerspruch gemäß § 121 Abs. 1 S. 1 BGB nur dann, wenn er ohne schuldhaftes Zögern erfolgt. Bei der Bemessung einer angemessenen Antwortfrist sind die Besonderheiten des Handelsverkehrs und der konkreten Geschäftsbeziehung zu berücksichtigen. Aufgrund des Bedürfnisses nach einem schnellen und leichten Geschäftsverkehr, das durch den Gewohnheitsrechtssatz über das kaufmännische Bestätigungsschreiben geschützt werden soll, muss eine Antwort in der Regel jedoch kurzfristig nach dem Zugang des Bestätigungsschreibens, zumeist innerhalb weniger Tage, erfolgen. Die genaue Frist variiert aber nach Art und Inhalt des Geschäfts, das den Gegenstand des Bestätigungsschreibens bildet, wobei insbesondere der Grad der Eilbedürftigkeit mit der Komplexität des beabsichtigten Vertrags abzuwägen ist. Ein Widerspruch nach mehr als einer Woche erfolgt in der Regel zu spät. Das gilt vor allem, wenn es für beide Seiten auf eine schnelle Vertragsabwicklung ankommt, zB bei einem kurzfristigen Fixgeschäft. Andererseits muss ein Absender, der sich selbst für das Bestätigungsschreiben eine gewisse Zeit gelassen hat, auch seinerseits mit einer etwas verzögerten Antwort rechnen. Das Erfordernis unverzüglichen Handelns bezieht sich zunächst auf eine ordnungsgemäße Absendung des Widerspruchs. Die sich anschließende Frage, welche Partei das Risiko trägt, wenn der Widerspruch dem Absender des Bestätigungsschreibens aus Gründen, die der Widersprechende nicht zu vertreten hat, verspätet oder gar nicht zugeht, wird nur selten näher diskutiert. Im Rahmen des § 362 Abs. 1 BGB liegt dieses Risiko bei demjenigen, der eine Antwort auf seinen Antrag erwartet. Nicht zuletzt aufgrund der engen teleologischen Verwandtschaft zwischen § 362 Abs. 1 BGB und den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens sind keine Gründe für eine abweichende Risikozuordnung ersichtlich. Somit trifft das Risiko einer zufälligen, d.h. nicht von dem Widersprechenden iSd §§ 276 ff. BGB, § 347 zu vertretenden, Verzögerung oder eines zufälligen Untergangs des Widerspruchs auf dem Transportweg wiederum den Absender des kaufmännischen Bestätigungsschreibens und steht einem wirksamen Widerspruch nicht entgegen (MüKoHGB/Maultzsch, 5. Aufl. 2021, HGB § 346 Rn. 175 ff.).

Nach diesen Maßstäben kann das Gericht keinen Vertragsschluss im Wege des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben feststellen.

Vorliegend ist bereits nicht dargelegt, dass die Klägerin kaufmännisch bzw. in welchem Umfang sie als „nur“ unternehmerisch tätige Person am Geschäftsverkehr teilnimmt. Zudem hat die Klägerin durch das anwaltliche Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.07.2023, mithin spätestens innerhalb von sechs Tagen auf die Schreiben der Beklagten vom 18.07.2023, welche nach deren Behauptungen der Klägerin am 20.07.2023 zugingen, ablehnend reagiert. Von einem den Vertrag zustande bringenden Schweigen kann daher nicht die Rede sein.

2) In Ermangelung einer vertraglichen Abrede haftet die Klägerin auch nicht nach den §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen auf die geltend gemachte Vergütung. Insoweit sind die Grundsätze der aufgedrängten Bereicherung heranzuziehen, da der Klägerin – die Erbringungen der Leistungen der Beklagten unterstellt – selbige ohne deren Willen zugewandt wurden. Ob in derartigen Fällen eine entsprechende Anwendung des § 814 BGB oder auf Grundlage des – hier nicht vorhandenen – subjektiven Nutzens der Leistung für die Klägerin als Bereicherte zu entscheiden ist (vgl. dazu (NK-BGB/Karl August Prinz von Sachsen Gessaphe, 4. Aufl. 2021, BGB § 812 Rn. 107 sowie MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 818 Rn. 237)), bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da die Leistungen der Beklagten für die Klägerin nach deren subjektiver Sicht keinen Wert besaßen und nach § 814 BGB ein Anspruch der Beklagten ohnehin ausschiede.

3) Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 91a, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Kosten der übereinstimmend für erledigt erklärten negativen Feststellungsklage waren der Beklagten aufzuerlegen, da die Klage ursprünglich zulässig und begründet war und durch die diametrale Leistungswiderklage sowie die Stellung der mit diesen angekündigten Anträgen aufgrund doppelter Rechtshängigkeit desselben Streitgegenstandes unzulässig wurde. Das ursprüngliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO war gegeben, da sich die Beklagte mit der Rechnung vom 18.07.2023 einer Forderung berühmte. Die negative Feststellungsklage war auch begründet, wie die Ausführungen unter 1) und 2) zeigen.

II.

Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 39, 40, 45 Abs. 1 48 GKG iVm §§ 3 ff. ZPO.