Amtsgericht Wuppertal verurteilt Casino-Betreiber zur Rückzahlung von Spieleinsatz

Das Amtsgericht Wuppertal hat einen Betreiber eines Onlinecasinos zur Rückzahlung von Spieleinsätzen eines Spielers verurteilt. Das Verfahren wurde nicht ausgesetzt, das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Hier das Urteil im Volltext:

36 C 81/23

Amtsgericht Wuppertal

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des …

Klägers,

Prozessbevollmächtigter:                              Herr Rechtsanwalt Christian von der Heyden,

                                                                       Konstanzer Straße 6, 10707 Berlin,

gegen

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte:                                 Rechtsanwälte DLA Piper UK LLP,

Maximilianstraße 2, 80539 München,

hat das Amtsgericht Wuppertal

auf die mündliche Verhandlung vom 12.12.2023

durch die Richterin am Amtsgericht …

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.896,11 € nebst Zinsen in

Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem

09.08.2023 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Rückzahlungsanspruch im Zusammenhang mit der

Teilnahme an Online- Glücksspielen auf von der in Gibraltar ansässigen Beklagten

betriebenen Websites geltend.

Die Beklagte gehört zur Unternehmensgruppe der Entain plc., einem führenden und FTSE 100-gelisteten Online-Service-Unternehmen, das in mehr als 20 Ländern lizensiert und tätig ist.

Die Beklagte verfügte im Zeitraum vom 21.02.2018 bis 13.03.2020 über eine Glücksspielerlaubnis in Gibraltar, nicht aber in Deutschland.

Der Kläger hat auf den Websites der Beklagten (u.a. https://slots.bwin.de/de/slots und https:/sports.bwin.de/de/sports) ein Konto eingerichtet und im Zeitraum 21.03.2018 bis 13.03.2020 über die vorgenannte Internetseiten bei von der beklagten Partei veranstalteten Casino-Spielen einen Betrag in Höhe von insgesamt EUR 1.896,11verloren.

Der Kläger behauptet, dass er darauf vertraut habe, dass das breitflächig von der Beklagten beworbene Glücksspiel legal sei. Erst im November/Dezember 2022 habe der Kläger durch eine zufällig von ihm auf der Website Facebook wahrgenommene Anzeige, welche die Rückforderung von Casinoverlusten versprochen habe, in Erfahrung gebracht, dass er möglicherweise seine verlorenen Einsätze zurückfordern könne. Ob dies im Falle der Beklagten zutreffe, habe er zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht gewusst. Sichere Kenntnis habe er bis heute nicht.

Er ist der Ansicht, dass es sich bei § 4 Abs. 4 GlüStV um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB handele. Aufgrund dessen sei der Online-Glücksspielvertrag nichtig. Der Kläger könne seine Verluste aus § 812 BGB Von der Beklagten herausverlangen.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.896,11 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass ein Anspruch aus § 812 BGB ausscheide. Ein Verstoß gegen § 4 GlüStV begründe keine Nichtigkeit im Sinne des § 134 BGB.

Jedenfalls greife der Kondiktionsausschluss des § 817 S.2 BGB. Der Kläger habe sich mindestens leichtfertig vor dem Genehmigungsstatus des Online-Glücksspiels verschlossen. Dem Vorwurf eines unerlaubten Angebots stehe der eigene Verstoß der Teilnahme an diesen Spielen im Sinne des § 285 StGB gegenüber. Durch Informationen und Wissen durch Abfrage des Internets, der online verfügbaren Kenntnisse in z.B. Bewertungsportalen zu den Gesellschaften der Beklagten und Spieler-Foren sowie der medialen Berichterstattung habe es für ihn offensichtlich sein müssen, dass die Teilnahme an Online-Glücksspielen illegal sei.

Die Geltendmachung der klägerischen Ansprüche sei treuwidrig. Der Kläger habe im vollen Bewusstsein des Risikos und des möglichen Verlusts aus Freude am Spiel und an diesem Risiko am Glücksspiel teilgenommen. Er habe dieses Risikos um des Spielens und möglichen Gewinnens willen akzeptiert. Jetzt den Regress zu fordern sei ein Fall des venire contra factum proprium.

Die Beklagte beruft sich (hilfsweise) auf die Einrede der Verjährung. Diesbezüglich habe der Kläger die den Anspruch begründenden Umstände jedenfalls grob fahrlässig verkannt. Vor allem hätte der Kläger die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten lesen und dem ausdrücklichen Hinweis der Beklagten nachgehen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die

gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Klage ist der Beklagten am 08.08.2023 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist die örtliche und internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Wuppertal gegeben.

Diese folgt aus Art. 18 Abs. 1 EUGVVO. Nach dieser Vorschrift kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedsstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

Bei dem Kläger handelt es sich um einen Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EUGVVO handelt. Als Verbraucher ist (in autonomer Auslegung) jede natürliche Person anzusehen, die Verträge zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs schließt, sofern diese nicht ihrer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Verbraucher ist daher auch die Person, die einen Vertrag über die Teilnahme an Online-Glücksspielen mit dem Ziel abschließt, daraus erhebliche Gewinne zu erwirtschaften (EUGH, Urteil vom 10. Dezember 2020 C-774/19, beck-online Rn. 50; Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, Brüssel la-VO, Art. 17). Anhaltspunkte, die für eine gewerbliche Tätigkeit des Klägers sprechen, sind nicht ersichtlich.

Auch richtete die Beklagte ihre Tätigkeit auf Deutschland aus. So waren ihre Glücksspielangebote gerade auch in deutscher Sprache verfügbar; wird den Verbrauchern auf der Website die Verwendung einer anderen Sprache als derjenigen ermöglicht, die in dem Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendet wird, so kann dies einen Anhaltspunkt bilden, der die Annahme erlaubt, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf andere Mitgliedstaaten ausgerichtet ist (EUGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 – C-585/08, C-144/09, beck-online Rn. 84). Vorliegend kommt durch das Angebot in deutscher Sprache gerade auch die Absicht der Beklagten zum Ausdruck, deutsche Kunden werben zu wollen (so auch LG Meiningen, Versäumnisurteil vom 26. Januar 2021 – 2 O 616/20, beck-online Rn. 12). Von der Regelung gemäß Art. 17, 18 EuGVVO erfasst sind auch Bereicherungsansprüche als Folge der Rückabwicklung des Vertrags (Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Brüssel la-VO Art. 17, beck-online Rn. 5).

In der Rechtsfolge kann der Kläger als Verbraucher nach Art. 18 Abs. 1 EUGVVO den Gerichtsstand an seinem Wohnsitz wählen, der neben der internationalen zugleich auch die örtliche Zuständigkeit umfasst. Dies ist hier in Wuppertal.

II.

Die Klage ist im Übrigen begründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.896,11 € gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB und § 852 S. 1 BGB.

a.

Die Anwendbarkeit deutschen Rechts ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom 1-VO). Danach ist bei Verträgen mit Verbrauchern das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies betrifft auch die Beurteilung der Wirksamkeit des Vertrages sowie etwaige Folgen der Nichtigkeit des Vertrags, vgl. Art. 12 Abs. 1 lit. a, e Rom I-VO, einschließlich der bereicherungsrechtlichen Folgen, vgl. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über das

auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom Il-VO).

Dem steht auch nicht die Rechtswahlkausel der Beklagten unter Ziffer 24 „Anwendbares Recht“ der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anlage B7, BI. 845 d.A.) entgegen. Dort heißt es:

„Die vorliegenden Verträge unterliegen dem Recht von Gibraltar und werden entsprechend ausgelegt. […]“

Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO darf eine Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Dementsprechend sind die §§ 305 ff. BGB auf Verbraucherverträge, die Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geschlossen haben, auch unter Geltung der Rom I-VO anwendbar (BGH, Urt. v. 19.07.2012 – I ZR 40/11 – juris Rn. 33). Die Rechtswahlklausel in den AGB der Beklagten benachteiligt den Kläger als Verbraucher aber unangemessen. Denn sie ist intransparent. Aus ihr geht gerade nicht klar und verständlich hervor, welche Rechtsvorschriften tatsächlich Anwendung finden. Sie vermittelt den Eindruck, es sei lediglich das Recht Gibraltars anzuwenden; insbesondere fehlt ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Kläger als Verbraucher nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO durch die Rechtswahl nicht den Schutz der

zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts verlieren kann (vgl. EUGH, Urt. v. 28.07.2016 -C-191/15-juris Rn. 71; BGH, Urt. v. 19.07.2012 -1 ZR 40/11 -juris Rn. 34 f.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 08.04.2022 – 23 U 55/21 – juris Rn. 46). Die Überschrift in Ziffer 24 der Vertragsbedingungen Anwendbares Recht vermittelt dem Verbraucher einen falschen Eindruck und hält ihn potenziell davon ab, geeignete Rechtsschutzmöglichkeiten zu ergreifen. Insgesamt wird aus der pauschalen Verweisung auf ausländisches Recht nicht hinreichend konkret erkennbar, in welchem Umfang verwiesen wird und welche Regelungen schließlich

Anwendung finden (so auch OLG Frankfurt, Beschl. v. O5.05.2022 -19 U 281/21 -).

b.

Voraussetzung für einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Var. 1 BGB ist zunächst, dass jemand etwas ohne Rechtsgrund von dem Leistenden erlangt hat.

Gemäß § 852 S. 1 BGB ist der Ersatzpflichtige auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften 0ber die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet, wenn er durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat. Die Verweisung in § 852 BGB auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung bezieht sich nicht auf die tatbestandlichen Voraussetzungen, sondern auf die Rechtsfolgen. Der verjährte Deliktsanspruch bleibt als solcher bestehen und wird nur in seinem durchsetzbaren Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten Erlangte beschränkt, soweit es nach Maßgabe der bereicherungsrechtlichen Vorschriften zu einer Vermögensmehrung des Ersatzpflichtigen geführt hat (BGH, Urteil vom 21.2.2022, VIa ZR 8/21).

Die Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

aa.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zunächst einen Anspruch auf Auszahlung der Spielverluste aus den Jahren 2020 gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB.

Die Beklagte hat durch Leistung des Klägers etwas erlangt.

Der vermögensrechtliche Vorteil ergibt sich aus dem Differenzbetrag zwischen den

Spieleinsätzen (Einzahlungen) des   Klägers   sowie   den   an   diese   als   Gewinn

ausgezahlten    Beträgen (Auszahlungen).    Das Erlangte    ist    somit    mit    dem

gesamtsaldierten Totalverlust der Spielerin deckungsgleich. Der Kläger hat zwischen

dem 21.03.2018 bis 13.03.2020 bei von der beklagten Partei veranstalteten Casino-Spielen einen Betrag in Höhe von insgesamt 1.896,11 € verloren.

Die Beklagte hat die Spielverluste aus dem Jahr 2020 ohne Rechtsgrund erlangt.

Der   zwischen   den   Parteien   geschlossene   Glücksspielvertrag   ist   wegen   des

Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 gemäß § 134 BGB nichtig, so dass dieser

keinen   Rechtsgrund   für   das   Behaltendürfen   der   durch   den   Kläger   erbachten

Zahlungen darstellt.  Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein

gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes

ergibt (OLG Düsseldorf, Urteil zum Az. I-22 U 57/23, Anlage K3, Bl. 1017 ff. d.A.).

Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist gemäß

§ 4 Abs. 4 GlüStV 2012 (gültig vom 1.7.2012 bis 30.6.2021), der in dem Zeitraum der

Teilnahme des Klägers an den Online-Glücksspielen der Beklagten vom 21.03.2018

bis 13.03.2020 in Kraft war, verboten.

Ein Verstoß gegen § 4 Abs.  4 GlüStV führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts

zwischen den Parteien, § 134 BGB.

Das hiesige Gericht schließt sich insoweit vollumfänglich der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil zum Az. I        – 22 U 57/23, Anlage K3, Bl. 1020 ff. d.A.) an. Dort heißt es wie folgt:

„Die Frage, ob der in einem Rechtsgeschäft liegende Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, ist, wenn eine ausdrückliche Regelung fehlt, nach Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsvorschrift zu beantworten. Entscheidend ist, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg. Der Umstand, dass eine Handlung unter Strafe gestellt oder als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bedroht ist, bewirkt dabei nicht unabweislich die Nichtigkeit des bürgerlich- rechtlichen Geschäfts. Vielmehr sind für jede einzelne Vorschrift Normrichtung und -zweck zu   ermitteln   und   zu   werten.   Verträge, durch   deren   Abschluss   beide Vertrag Spartaner ein gesetzliches Verbot verletzen, sind im Allgemeinen nichtig. Eine für alle Beteiligten geltende Strafe- oder Bußgeldandrohung gibt einen gewichtigen Hinweis darauf, dass die Rechtsordnung einem das Verbot missachtenden Vertrag die Wirksamkeit versagen will. Betrifft das Verbot hingegen nur eine der vertragschließenden Parteien, so ist ein solcher Vertrag in der Regel wirksam (BGH, Urteil vom 17.6.2004, III ZR  271/03, Rn. 31 f., juris).

Die Verbotsnorm des § 4 Abs.  4 GlüStV 2012 richtet sich zwar nur an die Beklagte, nicht an den Kläger. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Beteiligung an einem nicht behördlich erlaubten Glücksspiel gemäß § 285 StGB strafbar ist. Es widerspräche zudem dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 Online-Glücksspielverträge trotz des Verbots als wirksam anzusehen.  Denn das gesetzgeberische Ziel des Unterbindens von Online-Glücksspielen kann nicht erreicht werden, wenn man den gegen § 4 Abs. 4 GlüStV verstoßenden Betreibern einen wirtschaftlichen Anreiz zur Fortsetzung der illegalen Praxis setzt, indem man den verbotswidrig abgeschlossenen Spielverträgen die Wirksamkeit zuspricht. Dem Spieler wird dadurch auch kein Anreiz zum risikofreien Online-Glücksspiel gesetzt. Denn auch wenn er seine Verluste zurückfordern kann, ist dies zunächst mit dem Beschreiten des Rechtswegs gegen die oft im Ausland sitzenden Unternehmen und dem Tragen des Insolvenzrisikos verbunden. Des Weiteren wird der Spieler lediglich so gestellt, als hätte er nie an dem Online-Glücksspiel teilgenommen, indem die ausgezahlten Gewinne mit den eingetretenen Verlusten verrechnet werden. Ziel eines Teilnehmers an einem Online-Glücksspiel ist es jedoch regelmäßig einen Gewinn zu erzielen.

Es ist auch nicht widersprüchlich § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB zu behandeln, während die. Rechtsprechung § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV 2012 in den Klagen gegen die Zahlungsdienstleister nicht als solches einordnet. Denn die Ablehnung der Nichtigkeitsfolge bei einem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV 2012 wird damit begründet, dass aus den Gesetzesmaterialien erkennbar nur eine subsidiäre Inanspruchnahme der Zahlungsdienstleister nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2012 ermöglicht werden sollte. Diese setzt neben der vorherigen Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote eine erfolglos gebliebene Inanspruchnahme des vom Online-Glücksspielverbot in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 adressierten Veranstalters bzw. Vermittlers voraus. Zweck dieser Verknüpfung ist es ersichtlich, auf diesem mittelbaren Weg die Glücksspielveranstalter zu treffen, die ihren Sitz regelmäßig im Ausland haben und deshalb für deutsche Verwaltungsbehörden nicht erreichbar sind (BGH, Beschluss vom 13.9.2022, XI ZR 515/21, juris; OLG Köln, Urteil vom 23.6.2022, 18 U 8/21, Rn. 53 f., juris). Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Glücksspielveranstalter selbst, die von der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB getroffen werden.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der GlüStV 2021 kein absolutes Verbot von Online-Glücksspielen mehr vorsieht, sondern diese unter einen Erlaubnisvorbehalt stellt. Wird ein Verbotsgesetz aufgehoben, so wird hierdurch die Nichtigkeit eines Geschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen dieses Gesetz abgeschlossen wurde, nicht berührt (MüKo-BGB, 9. Auflage 2021, § 134 BGB, Rn. 32). Die Beklagte hat ausweislich der Whitelist der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder Stand 22.8.2023 erstmalig am 7.10.2022 eine Erlaubnis für virtuelle Automatenspiele erhalten (Whitelist abrufbar unter gluecksspiel-behoerde.de).“

Die Beklagte kann sich auch nicht auf § 817 S. 2 BGB berufen.

Nach dieser Vorschrift ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn der Leistende selbst gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat.

Was Gesetzesverstöße anbelangt, so kann die Existenz der verschiedenartigsten, oft eher rechtstechnisch zu verstehenden Verbotsgesetze nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden. Folglich kann auch der Schluss von der Kenntnis der Umstände auf die Kenntnis der Gesetzeswidrigkeit nicht immer gezogen werden. Im Regelfall wird man daher – unbeschadet eventueller Beweiserleichterungen – die Kenntnis gerade des Verbotsgesetzes verlangen müssen (MüKoBGB/Schwab, 9.Aufl. 2024, BGB § 817 Rn. 89). Die Rechtsprechung lässt es genügen, wenn sich der Leistende der Einsicht in den Gesetzesverstoß leichtfertig verschließt (MüKOBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 817 Rn. 89).

Wendet der Bereicherungsschuldner ein, dass dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last fällt, so trägt er hierfür die Beweislast. Das gilt in gleicher Weise für die subjektiven Erfordernisse in der Person des Leistenden: Auch deren Vorliegen hat der Empfänger zu beweisen. Denn bei § 817 S. 2 BGB handelt es sich um eine rechtshindernde Einwendung (MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 817 Rn. 91).

Dass der Kläger zu Beginn oder zumindest während seiner Spielserie bei der Beklagten Kenntnis von der Illegalität des Angebots der Beklagten in Nordrhein-Westfalen hatte oder sich dieser jedenfalls leichtfertig verschloss, hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan. Sie behauptet lediglich pauschal, ohne tatsächliche Anknüpfungspunkte, dass der Kläger sich mindestens leichtfertig vor dem Genehmigungsstatus des Online-Glücksspiels verschlossen habe. Der Kläger hätte es durch Abfrage des Internets z.B. in Bewertungsportalen zu den Gesellschaften der Beklagten, allgemeinen Informationen zum Online-Glücksspiel und Spieler-Foren sowie der medialen Berichterstattung offensichtlich sein müssen, dass die Teilnahme an Online-Glücksspielen illegal sei. Der Kläger erklärt diesbezüglich, dass er erst im Jahr 2022 – mithin nach Ende der hier streitgegenständlichen Glücksspiele – Kenntnis von der Möglichkeit der Rückforderung der Einsätze erfahren hat. Die Beklagte vermochte dies nicht zu entkräften.

Die Kenntnis, dass die Online-Glücksspielangebote der Beklagten in Nordrhein-Westfalen als unerlaubtes Glücksspiel im Sinne des § 285 StGB zu werten waren setzt die Kenntnis der Regelungen des GlüStV 2012 voraus. Die Regelung des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 kann nicht ähnlich wie die Sittenordnung als Inbegriff der unerlässlichen Grundregeln menschlichen Zusammenlebens als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Das Glücksspielrecht ist eine juristische Spezialmaterie, die in einem eigenen Staatsvertrag der Länder geregelt ist (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022, 10 U 736/22). Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass sich die Regelungen des GlüStV innerhalb weniger Jahre mehrfach verändert haben, so dass es für die Annahme der Kenntnis von einem Gesetzesverstoß einer tieferen Befassung mit der Materie bedarf. In Schleswig-Holstein galt etwas Anderes als in den übrigen Bundesländern. Zudem musste zwischen zahlreichen, Wett-, Lotterie-und Glücksspielformen differenziert werden. Das Angebot der Internetanbieter war in der Werbung auf Deutschland ausgerichtet, die Domain der deutschsprachigen Webseite lautete zumeist auf „.de“. Zudem wurde damit geworben, es bestehe eine „europäische“ Lizenz; tatsächlich hatten die Anbieter eine ausländische Lizenz, die aber in Deutschland keine Gültigkeit hatte. Der Einwand der Beklagten, man habe sich über die Rechtmäßigkeit eines Angebots im Internet rasch erkundigen können und es sei in den Medien breit über die Illegalität des Online-Glücksspiels berichtet worden (Anlage B5, Bl. 237 ff. eA LG), greift nicht durch. Abgesehen davon, dass sich im Internet jeder denkbare Inhalt finden lässt, war die Rechtslage schon deshalb unübersichtlich, weil sie sich in Schleswig-Holstein von derjenigen im übrigen Deutschland unterschied (vgl. Finkenauer, Der Kondiktionsausschluss des § 817 S. 2 BGB am Beispiel des verbotenen Online-Glücksspiels, ZfPW 2023, 133 (141); beck-online). Des Weiteren kann der Vorwurf des leichtfertigen Verschließens vor einem Gesetzesverstoß nicht an das Unterlassen eines wenigstens gelegentlichen Nachrichten- und Medienkonsums geknüpft werden. Denn niemand ist von Rechts wegen gehalten generell die Medien zu verfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 29.7.2021, VI ZR 1118/20 zur Verjährung in den Dieselverfahren; OLG Düsseldorf, Urteil zum Az. I-22 U 57/23, Anlage K3, BI. 1022 f. d.A).

Die Geltendmachung des klägerischen Anspruchs ist nicht treuwidrig, § 242 BGB. Die Beklagte ist nicht schutzwürdig. Sie ist aufgrund ihres illegalen Online-Glückspielangebots in Deutschland bewusst die Gefahr eingegangen, die Einnahmen nicht behalten zu können. Sie hätte z.B. durch eine Sperre der Kunden mit entsprechendem Wohnsitz die Teilnahme eines Spielers aus Nordrhein-Westfalen an ihren Online-Glücksspielen ohne Weiteres unterbinden können. Der Kläger hat keine unzutreffenden Angaben bei der Anmeldung zu den Online-Glücksspielen der Beklagten getätigt (OLG Düsseldorf, Urteil zum Az. 1-22 U 57/23, Anlage K3, BI. 1024 d.A.).

Die Einrede der Verjährung greift hinsichtlich der in den Jahren 2018 und 2019

gezahlten Spieleinsätze § 214 Abs. 1 BGB.

Gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Ein Gläubiger, der einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Fall 1 BGB verfolgt, hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrunds ergibt. Der Verjährungsbeginn setzt grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesem Fall fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH, Urteil vom 15.6.2010, XI ZR 309/09, Rn. 12, juris). Eine Rechtslage ist aber nicht schon dann unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist (BGH, Urteil vom 21.2.2018, IV ZR 385/16).

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Voraussetzungen ist der Rückerstattungsanspruch der Spieleinsätze aus den Jahren 2018 und 2019 verjährt.

Der Kläger wusste bei Einzahlung der Spieleinsätze in den Jahren 2018 und 2019, dass er diese im Rahmen des Online-Glücksspiels tätigt. Denn er hatte bei Einzahlung der jeweiligen Spieleinsätze jedenfalls fahrlässige Unkenntnis bezüglich der Lizensierung der Beklagten in Gibraltar. Diese ergibt sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anlage B7, Bl. 821 d.A.).

Für den Verjährungsbeginn ist nicht erforderlich, dass der Kläger daraus den zutreffenden rechtlichen Schluss zog, nämlich, dass die Beklagte mit ihrem Angebot gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstößt und der Vertrag daher gemäß § 134 BGB nichtig ist. Es lag auch keine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vor, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermochte, da es dafür nicht ausreicht, dass die Rechtslage umstritten und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Es gab keine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung, die dem Kläger die Klageerhebung unzumutbar gemacht hätte (OLG Düsseldorf, Urteil zum Az. I-22 U 57/23, Anlage K3, Bl. 1025 f. d.A.).

Mithin sind die Ansprüche aus 2018 mit Ablauf des Jahres 2021 und die Ansprüche des Jahres 2019 mit Ablauf des Jahres 2022 verjährt. Die die gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung hemmende Klageerhebung mit Klagezustellung im August 2023 erfolgte in verjährter Zeit.

Jedoch kann der Kläger die Spielverluste aus den Jahren 2018 und 2019 aus § 852

S. 1 BGB ersetzt verlangen.

bb.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch Rückerstattung der in den Jahren 2018 und 2019 erlangten Spielverluste gemäß § 852 S. 1 BGB.

Die Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Der Kläger hat neben § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV auf die Zahlung der Spielverluste der Jahre 2018 und 2019, die aufgrund der Einrede der Verjährung nicht durchsetzbar sind (s.o.).

Die Beklagte hat gegen § 4 Abs. 4 GlüStV als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs.

2 BGB verstoßen.

§ 4 Abs. 4 GlüStV ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil zum Az. I-22 U 57/23, Anlage K3, BI. 1026 f. d.A.).

Die Beklagte handelte auch schuldhaft.

Der Anspruch des Klägers ist auch nicht nach § 254 BGB durch Mitverschulden ausgeschlossen oder beschränkt. Ein Verschulden des Klägers in eigenen Angelegenheiten durch die freiwillige Hingabe des Geldes zu Zwecken des Online- Glücksspiels anzunehmen, liefe Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 zuwider und würde auch dessen Charakter als Schutzgesetz konterkarieren. Der GlüStV 2012 dient mit seinem Ziel der Vermeidung und Bekämpfung von Spielsucht gerade auch in gewissem Umfang des Spielers vor sich selbst, was eine Anwendung des § 254 BGB ausschließt (OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022, 19 U 51/22).

c.

Mithin kann der Kläger von der Beklagten sämtliche Spielverluste aus dem Zeitraum vom 21.03.2018 bis zum 13.03.2020 in Höhe von 1.896,11 € erstattet verlangen.

2.

Der Zinsanspruch folgt aus §$ 288, 291 BGB.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §$ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird auf bis zu 2.000,00 € festgesetzt.